Zum Nachdenken
Ich bin in letzter Zeit häufig so niedergeschlagen. Was steckt dahinter?
Niedergeschlagen zu sein, das ist grundsätzlich eine ganz normale Reaktion, wenn man enttäuscht wurde, etwas oder jemanden verloren hat oder etwas nicht geschafft hat. Wenn Sie sich Ihre Niedergeschlagenheit nicht durch ein solches Erlebnis erklären können, könnte es auch an Folgendem liegen: Viele kleine Belastungen und Enttäuschungen, jede für sich vielleicht nicht dramatisch, sind in der Summe einfach zu viel geworden sind. Und ohne dass Sie genau sagen können, was letztlich der Auslöser war, hat die Gesamtlast Sie „niedergeschlagen“. Hier könnte es helfen, genau zu schauen, was Sie in der letzten Zeit erlebt, ertragen und geleistet haben und zu prüfen, welche Belastungen Sie reduzieren sollten und wie Sie sich erholen können. Eine unerklärliche, immer wiederkehrende Niedergeschlagenheit kann aber auch ein Symptom einer Depression sein. Das ist eine ernstzunehmende Erkrankung, für die es aber gute Behandlungsmöglichkeiten gibt. Ob Ihre Niedergeschlagenheit etwas mit Depressionen zu tun hat, können Sie auch mit einem kurzen Selbsttest zu Depressionen prüfen, den Sie (z.B. von der WHO oder von der Deutschen Depressionshilfe) im Internet finden. Und wenn Sie durch den Fragebogen entsprechende Hinweise erhalten, sollten Sie dringend Ihren Hausarzt aufsuchen und sich an einen Facharzt überweisen lassen. Denn wie gesagt, Depressionen sind ernst zu nehmen, aber sie lassen sich behandeln. Ich wünsche Ihnen, das sie möglichst schnell die Entlastung und/oder die Hilfe bekommen, die Sie brauchen, um Ihre Niedergeschlagenheit zu überwinden.
Was kann in einer Lebenskrise Trost spenden?
Wenn jemand in einer tiefen Krise ist, weil er oder ein naher Mensch schwerer erkrankt ist, weil er durch Trennung oder Tod jemanden verloren hat, weil er keine Arbeit mehr hat oder weil Lebenspläne gescheitert sind, dann hört er oft Sätze wie: "Die Zeit heilt alle Wunden", "Das wird schon wieder", "Nimm's nicht so schwer", "Es gibt schlimmeres"... Diese Sätze sind nicht grundsätzlich falsch, aber in einer Krise sind sie nicht tröstlich. Auch wenn sie gesagt werden, um dem Betreffenden das Schwere leichter zu machen und um ihm Hoffnung zu vermitteln, geben sie ihm eher das Gefühl, man nimmt seinen Schmerz nicht wirklich ernst oder man kann ihn nicht aushalten. Aber was ein Mensch in einer Krise zuallererst braucht: jemand, der ihn ernst nimmt und seinen Schmerz mit aushält, jemand, der ihm zeigt: "Ich verstehe, dass es schwer ist, ich fühle mit dir." Und jemand, der es auch aushält, wenn der Andere erst einmal untröstlich ist, und der gleichzeitig darauf vertraut, dass dieser die Krise meistern und neue Perspektiven entwickeln wird. Das mag widersprüchlich klingen, aber genau das, nämlich das Schwere nicht leicht reden und dennoch stellvertretend für den Anderen hoffen, das kann trösten. Und mit dieser Unterstützung kann ein Mensch in einer Krise auch die eigenen Kräfte und die eigene Hoffnung wieder entdecken.
Seit mein Sohn mit seiner Familie weggezogen ist, haben wir kaum noch Kontakt. Was können wir tun?
Wie haben Sie denn vor dem Wegzug der jungen Familie den Kontakt gestaltet? Haben Sie in einem Haus oder nah beieinander gewohnt und sich ganz selbstverständlich täglich gesehen? Auf Distanz im Kontakt zu bleiben, das ist vielleicht auch für die Familie Ihres Sohnes einfach ungewohnt und ungeübt. Können Sie sich vorstellen, von sich aus immer wieder anzurufen, zu mailen oder zu skypen, wenn Sie Kontakt und Austausch möchten? Ich kann mir zwar vorstellen, dass es für Sie enttäuschend ist, wenn die Initiative meistens auf Ihrer Seite liegt, und dass Sie auch nicht aufdringlich sein wollen. Und dennoch, für Ihren Wunsch nach Kontakt sollten Sie selber die Verantwortung übernehmen. Zu dieser Verantwortung gehört aber auch, Grenzen zu respektieren und zu akzeptieren, wenn z.B. Ihr Anruf grad ungelegen kommt und deshalb kurz ausfallen muss oder auch, wenn Besuche seltener sind, als Sie es sich wünschen. Dass erwachsene Kinder ihr eigenes, von den Eltern räumlich getrenntes Leben führen, ist heute die Regel. Und auch, wenn es keine Konflikte gegeben hat, ist es nicht selbstverständlich, dass die Kinder von sich aus regelmäßig Kontakt halten. Auch deshalb finde ich folgendes wichtig: Je besser Sie an Ihrem Wohnort eingebunden sind in einen Freundes- und Bekanntenkreis, desto leichter wird es Ihnen auch fallen, den Abstand zum Sohn und seiner Familie zu verkraften.